Es war ein Experiment: Kann es gelingen, Menschen mit Behinderung für den Tennissport im ländlichen Raum zu begeistern? Zwei Jahre hatte der Tennisclub Laubach (TCL) überlegt, geplant, Expertengespräche geführt, Partner gesucht und umfassend die Werbetrommel gerührt. Nun fand am 19. Juli der Aktionstag „Tennis für alle“ auf der Vereinsanlage „Am Froschloch“ in Laubach statt – und übertraf alle Erwartungen. Schon kurz vor dem offiziellem Beginn kamen die ersten Besucher mit Rollstuhl, binnen der drei angesetzten Stunden waren es dann 30 Interessierte mit unterschiedlichen Handicaps, die meist zum ersten Mal den Schläger und die gelbe Filzkugel in die Hand nahmen und viel Spaß hatten. Einige von ihnen entschieden sich spontan zum Vereinsbeitritt. „Ziel mehr als erreicht“, konnten Martin Schmier, Hubertus Ackermann und Mario Wiegran vom Vorstand des TCL am Abend zufrieden Bilanz ziehen.
Neben den 30 Interessierten mit körperlicher, geistiger oder psychischer Einschränkung nutzten – ganz im Sinne des Inklusionsgedankens – auch ein Dutzend Besucher ohne Handicap den Aktionstag, um die Sportart Tennis kennenzulernen. Alle zusammen verbrachten unterhaltsame und lehrreiche Stunden auf den vier Sandplätzen. Sechs Vereinstrainer standen zur Verfügung, um die richtigen Griffe, Schritte und Schläge zu erklären. Dass Tennisspielen im Rollstuhl auf sportlich hohem Niveau problemlos möglich ist, führten drei Spieler des Vereins „Academy Reha- und Gesundheitssport Obervellmar“ den beeindruckten Zuschauern vor. Sie waren mit ihrem Vorsitzenden Manfred Dockhorn aus Nordhessen angereist. Zusammen mit ihren gehenden Vereinskollegen bilden sie seit 2018 die erste inklusive Mannschaft, die erstmals in Deutschland auch an den Medenspielen teilnehmen kann. Während sie Rollstuhl-Tennis vorführten und selbst die Laubacher Trainer von ihrer Spielstärke überrascht waren, konnte andere Besucher im „Rolli“ wie Sven Klippert aus Hungen und sein Freund Matthias Lederer den Vorbildern schon erstaunlich gut nacheifern und immer wieder gute Schläge übers Netz bringen. Auf anderen Plätzen spielte derweil eine Gruppe der Lebensgemeinschaft Schlitz e.V., einer Einrichtung für geistig, körperlich oder seelische behinderte Menschen, die sich gerade in einer dreiwöchtigen Freizeit im Jugendgästehaus Laubach erholen.
Zu den Ehrengästen gehörten auch Rolf Heggen, Referent des Hessischen Tennis-Verbands (HTV) für Rollstuhltennis, und Anne Effe, Projektkoordinatorin für Vereinsinklusion von Special Olympics Hessen (SOH), dem Landesverband der olympischen Organisation für Sportler mit geistiger Behinderung. „Wir freuen uns sehr über das Interesse und die Unterstützung von HTV und SOH für unser Engagement“, sagte Schmier. Er dankte auch der Gold-Krämer-Stiftung aus Frechen bei Köln, die mit Niklas Höfken den Inklusionsbeauftragten des Deutschen Tennisbunds stellt und finanziert. Höfken hatte die Laubacher seit 2018 für den Aufbau einer inklusiven Sportlergruppe beraten. Seine Expertise führte auch dazu, dass die Fernseh-Lotterie „Aktion Mensch“ das Projekt in Laubach finanziell unterstützt.
Aber auch aus dem Laubacher Raum gab es viele lobende Worte. Birgit Hartmann, Vorstandsmitglied der Sparkasse Laubach-Hungen, nutzte die Gelegenheit, um dem rührigen Sportverein zusammen mit Geschäftsstellenleiter Björn Erik Ruppel eine Spende in Höhe von 1.000 Euro für die Vereinsarbeit zu überreichen. „Wir sind begeistert vom heutigen Tag und dem Einsatz des Tennisclubs für die Integration von Menschen mit Behinderung“, sagte die Direktorin des örtlichen Kreditinstituts und lobte auch die Bemühungen um eine aktive Kinder- und Jugendarbeit. „Alleine in den letzten Wochen konnten wir 70 neue aktive Spielerinnen und Spieler gewinnen, davon rund 25 Kinder und Jugendliche“, berichtete Jugendwart Hubertus Ackermann über die erfolgreiche Werbekampagne. Am Ende des Tages verbuchte der TCL 14 neue Mitglieder als positive Bilanz, darunter zahlreiche mit Handicap.
„Tennis für alle“ beim TC Laubach: Neben rund 50 Gästen begrüßte Vorsitzender Martin Schmier (5.v.l.) auch Sparkassen-Direktorin Birgit Hartmann (6.v.l.) und Geschäftsstellenleiter Björn Erik Ruppel (2.v.r.), die eine Spende für die Vereinsarbeit überreichten. Rolf Heggen vom Hessischen Tennis-Verband (2.v.l.) und Anne Effe von Special Olympis Hessen (3.v.l.) lobten die Laubacher Aktion zur Inklusion behinderter Sportler. Friedhelm Meyer (l.) zeigte als erfahrener Spieler anderen wie Sven Klippert (Mitte) und Matthias Lederer (rechts), wie Tennisspiel im Rollstuhl funktioniert.
27.07.2020